Er spielte in „Das weiße Band“ und „Babylon Berlin“, steht bereits ein Viertel seines Lebens als Hamlet auf der Bühne und ist Leadsänger und Komponist der Art-Pop-Band Woods of Birnam. In Jonathan Glazers Holocaust-Reflexion „The Zone of Interest“ spielte er neben Sandra Hüller und war mit ihr jüngst für den Europäischen Filmpreis nominiert. Christian Friedel ist ebenso erfolgreich wie vielseitig und wer einmal versucht hat, seinem „Dorian“-Monolog in der gleichnamigen Robert-Wilson-Inszenierung zu folgen, wird ihn nicht mehr vergessen.
In „Das weiße Band“ und in „Babylon Berlin“ spielen Sie den Netten, Unbescholtenen. In „The Zone of Interest“ sind Sie der KZ-Lagerkommandant von Auschwitz. Wie war es für Sie, in diese Rolle zu schlüpfen?
Der KZ-Kommandant Rudolf Höß ist eine dunkle Figur, wenn man sich die Dimension seines Verbrechens vor Augen führt, aber auch mit Blick auf die Art und Weise, wie er das Verbrechen ausübt. Mir war es wichtig, der Figur ein menschliches Gesicht zu geben, um zu verdeutlichen: Das waren Menschen, die diese Dinge getan haben, nicht geborene Teufel. Wir wollen immer Abstand halten und bilden uns ein, wir selbst könnten solche Taten nicht verüben. Der Film nimmt uns diesen Abstand, er handelt von einem Ehepaar, in dem wir uns wiederfinden können. Es gibt keine Szenen im Lager, die schrecklichen Bilder, wie wir sie kennen, tauchen im Film nicht auf. Dennoch hat man sie die ganze Zeit vor Augen – sie sind nicht sichtbar, aber spürbar. Michael Haneke hat einmal gesagt: „Kunst ist ein Sprungbrett, aber springen muss der Betrachter.“ „The Zone of Interest“ ist kein Film, den man konsumiert, man muss reagieren. Er liefert keine Antworten, sondern stellt Fragen, die bestenfalls in uns etwas in Gang setzen.
„The Zone of Interest“ kommt Ende Februar in die Kinos. Welchen Film darf man im kommenden Frühjahr ebenfalls nicht verpassen?
Die Fortsetzung von „Dune“ von Denis Villeneuve mit Timothée Chalamet.
Und bei welchen Serien warten Sie auf eine Fortsetzung?
Ich bin ein regelrechter Serienjunkie und war sehr begeistert von „Better Call Saul“. Aber auch das Fantasy-Epos „House of the Dragon“ liebe ich und warte sehnsüchtig auf die zweite Staffel. Die erste Staffel hatte einen tollen Cliffhanger!
Sie spielen auch sehr erfolgreich Theater. Welche Stücke haben für Sie die größte Bedeutung?
„Dorian“ von Robert Wilson am Düsseldorfer Schauspielhaus und „Macbeth“ am Staatsschauspiel Dresden waren und sind meine wichtigsten Projekte. Bei „Dorian“ habe ich die Möglichkeit, alles auszuleben, was ich mitbringe. Es ist ein 90-minütiger Monolog, ich singe und spiele. In „Macbeth“ habe ich Regie geführt, zusätzlich zu Schauspiel und Musik. Für mich eine wichtige Weichenstellung, da ich den nächsten Jahren gerne mehr als Regisseur arbeiten würde.
Auf welche Theateraufführungen freuen Sie sich im Frühjahr 2024?
Es gibt einen spannenden Theaterabend am Münchner Residenztheater, eine Art Musiktheaterstück von Jherek Bischoff, Jan Dvorak und Philipp Stölz, „Andersen Erzählungen“. Den würde ich sehr gerne sehen!
Was lesen Sie gerade?
Einen Science-Fiction-Roman, den ich für eine Bühne in Frankfurt adaptiere. Mehr kann ich momentan leider nicht verraten. Auf meinen Reisen lese ich gerne die Comiczeitschrift Mosaik. Es ist ein tolles Magazin, das älteste Comicmagazin in Europa, und nicht nur für Kinder gedacht. Gerade wenn der Stresspegel hoch ist, liebe ich es, mich in die Abenteuer von Abrax, Brabax und Califax zu versenken. Nicht zuletzt deswegen, weil sie mich in die Kindheit entführen.
Salon,
Frühjahr 2024