Fußgänger sind hier nicht vorgesehen. Ein unüberquerbarer zwölfspuriger Highway, die Sheikh Zayed Road, durchschneidet die Mega-City des Emirats. Sie ist die Hauptverkehrsader, auf der man an den futuristisch glitzernden Hochhausburgen und architektonischen Wunderwerken vorbeirast.
Dubai ist die Hauptstadt des gleichnamigen Emirats, das zusammen mit sechs weiteren Emiraten die Föderation der Vereinigten Arabischen Emirate bildet. Doch nur neun Prozent der Einwohner der Stadt sind Emiratis. Der Rest besteht aus Expats, also Zugereisten, die von ihren heimischen Firmen in die hiesigen Dependancen geschickt wurden, oder Arbeitsmigranten, die auf eigene Faust ihr Glück versuchen, darunter Migranten aus Südostasien, aber auch Inder, Pakistaner und Nordafrikaner. Wer London oder New York einen Schmelztiegel nennt, sollte einmal nach Dubai reisen. Hier mischen sich die Kulturen wahrlich noch mehr.
Doch nicht nur der Nationalitätenmix prägt die mittlerweile über zwei Millionen Einwohner zählende Metropole. Das hier gelebte Motto des Höher, Schneller, Weiter ist ein Leitspruch mit globalem Nachhall. Ganz besonders stolz sind die Emiratis auf die von ihnen geschaffenen Bauwerke, darunter Burj Khalifa, das höchste Gebäude der Welt mit atemberaubender Aussichtsplattform, die gigantischen Einkaufszentren Dubai Mall und Mall of the Emirates sowie eines der teuersten und luxuriösesten Hotels überhaupt, das Burj Al Arab mit eigener Insel und der architektonischen Anmutung eines aufgespannten Segels. Diese Superlative sind Magneten für jährlich bis zu 14 Millionen Touristen. Damit landete Dubai im vergangenen Jahr unter den Top 5 der meistbesuchten Städte weltweit.
Allerdings verpassen die meisten dieser Touristen, die vor allem in die Glitzerkonsumwelt eintauchen, eine weitere, nicht minder spannende Facette Dubais: die kreative Nutzung sich ergebender Freiräume. So hat sich beispielsweise im ehemaligen Industriegebiet Al Quoz in leerstehenden Lagerhallen eine lebendige Kunstszene entwickelt, die auch auf die hiesige Modeszene abstrahlt. Zentrum der Bewegung ist Alserkal Avenue, ein Areal, in dem inzwischen unter anderem neun hochkarätige Galerien beheimatet sind. In den umliegenden Straßen haben weitere Kunsträume und Künstlerateliers, Boxclubs und Cycle-Stores eröffnet. Hübsche Concept Stores entlang der Jumeirah Beach Road und stimmungsvolle Events wie der Ripe Food Market, der jeden Freitag im Zabeel Park stattfindet und der die Einheimischen genauso anzieht wie die internationale Community, zeichnen ebenfalls ein alternatives Bild der Stadt.
Eine Stadt, die sich nicht nur über Superlative und Facettenreichtum definiert, sondern auch über ihre energiegeladenen, businessorientierten Bewohner. Wer es sich leisten kann, stellt seinen Reichtum gern ostentativ zur Schau. Lamborghinis, Hummers, Rolls-Royces, Ferraris und Porsches sieht man an jeder dritten Straßenecke. Junge Leute, ja Studenten, sind von Kopf bis Fuß in Nobelmarken gekleidet. Der Handel brummt also, das Shoppen gehört untrennbar zu Dubai. Dementsprechend prächtig sind auch die Läden und Malls gestaltet. Jede erdenkliche Luxusmarke ist hier vertreten. Um das aufwändigste und schönste Ladenlokal scheint ein regelrechter Wettstreit entbrannt.
Für Store-Architekten also ein Traum, wie Karl Schwitzke im J’N’C-Interview bestätigt. Der deutsche Retail-Spezialist unterhält in Dubai eine Niederlassung seines Ladenbauunternehmens. Einen interessanten Einblick in die Shoppingkultur am Persischen Golf gewährt auch Nisreen Shocair, die als President of Virgin Megastores Middle East & North Africa zu den einflussreichsten Businessfrauen des Nahen Ostens zählt und die J’N’C-Chefredakteurin Ilona Marx nicht nur als sehr inspirierend, sondern auch als sehr gastfreundlich erlebte – eine Charaktereigenschaft, die sie mit vielen Einwohnern Dubais teilt.
Ausgewählte Texte aus dem City Guide
Eine Schicksalsgemeinschaft. Die beiden Französinnen Emma Sawko und Alexandra de Montaudouin waren 2011 ihren Männern nach Dubai gefolgt – und zunächst kreuzunglücklich. Die Stadt am Persischen Golf schien nichts von dem bereitzuhalten, was den zweien in der Heimat lieb und teuer gewesen war: Understatement-Design, lässige Mode, filigraner Schmuck, veganes Essen. Das Gegenteil von Opulenz und ostentativ zur Schau gestelltem Luxus also, wie es vielfach dem Zeitgeschmack in Dubai entspricht. Wie so oft führte jedoch auch in ihrem Fall der persönlich empfundene Mangel zu einem erfolgreichen Geschäftsmodell – und so fühlt man sich beim Eintritt in das Comptoir 102 eher nach Europa oder gar Kalifornien versetzt. Gemessen an seinem entspannten Hippie-Vibe könnte das verwinkelte Ladenlokal mit angeschlossenem Restaurant genauso gut am Abbot Kinney Boulevard in Venice, L.A. liegen, befindet sich aber in einem einstöckigen Bau an der vielbefahrenen Jumeirah Beach Road. Kollektionen von Isabel Marant und Raquel Allegra sowie Taschen von Jérôme Dreyfuss passen bestens ins Portfolio. Sie werden ergänzt von Interior Design, Porzellan und ausgesuchten Lebensmitteln. Da nicht nur die Shopping-Range, sondern auch die vegane Küche des Comptoir 102 sehr gut ankommt, wurde zur ersten, mit Bambus überdachten Terrasse noch eine zweite hinter dem Haus hinzugefügt. Auch dort kann nun zur Lunch- und Dinnerzeit aufs Gesündeste gespeist werden. Bei den süßen Leckereien ganz weit vorn: der hausgemachte vegane Käsekuchen. Nicht minder ausgezeichnet, und zwar im Wortsinn, ist das Schmucksortiment, das Alexandra und Emma für ihren Shop zusammengestellt haben. Die weltbeste Jewellery-Auswahl innerhalb eines Concept Stores – so befand jüngst die französische Vogue.
2.000 gleißend helle Quadratmeter hat die Boutique 1 am exklusiven Jumeirah Beach Walk vorzuweisen und bewegt sich damit in einer Größenordnung, die im Grunde eher an ein Kaufhaus als an eine Boutique denken lässt. Aber hey, wir sind in Dubai, hier wird mit anderem Maß gemessen. Außerdem ist Ziad Matta, CEO des Multibrand-Stores, die persönliche Herangehensweise an das Thema Fashion sehr wichtig, sei es im Einkauf oder in der Beratung. Daher sind trotz der Größe die Vorzüge eines Boutique-Konzepts durchaus gegeben. Zumal die Auswahl der Kollektionen sehr mutig und progressiv ist, was dann auch die 1 im Namen rechtfertigt. Man sieht sich als die modische Speerspitze in Dubai, generiert seine Expertise jedoch nicht durch das platte Zitieren der ganz großen Namen, sondern bewegt sich ein bisschen abseits der ausgetretenen Pfade. So sind Isabel Marant, Phillip Lim, Raquel Allegra, Proenza Schouler, Oscar de la Renta, Giambattista Valli, Victoria Beckham, Erdem, Elie Saab, Paul & Joe, Alexander Wang und Monica Vinader die Zugpferde in der Boutique. Von einigen dieser Labels führt man auch die günstigeren Zweitlinien, etwa Étoile by Isabel Marant, T by Alexander Wang oder Paul & Joe Sister. Insgesamt umfasst das Portfolio ganze 200 Marken. Da die Klientel sich weltweit tummelt, unterhält die Boutique 1 einen gut organisierten Onlineshop. Im eigens eingerichteten Studio im ersten Stock des Stores arbeiten Stylisten, Fotografen und Online-Spezialisten täglich daran, die neu eintreffenden Styles gekonnt zu kombinieren und für den Auftritt im Netz abzulichten. Neben dem architektonisch eindrucksvollen Shop in Jumeirah existiert noch eine ebenso große Dependance in der Mall of the Emirates. Weitere Shops in Abu Dhabi und Beirut gehören ebenfalls zum kleinen Modeimperium. Ein Laden auf der Londoner Sloane Street steht kurz vor der Eröffnung.
Auch wenn Malls nicht jedermanns Sache sind und gerade unter jungen Europäern nicht unbedingt als Garant für Einkaufsvergnügen gelten: In Dubai führt kein Weg an ihnen vorbei. Jedoch sind die Indoor-Shopping-Hallen, wie man sie dort kennt, keineswegs mit schnöden westlichen Einkaufspassagen und Shoppingzentren zu vergleichen. Kollektionen und Konzepte werden von den Vermietern der Flächen sorgfältig überprüft, und auch die Einrichtung wird an hohen Qualitätsstandards gemessen. So findet man die besten und exklusivsten Läden der Stadt in ebendiesen Malls, von denen die überschaubare Galleria Mall eine der schönsten ist. Hier ist auch Zayan The Label ansässig, eine Womenswear-Linie aus der Feder von Zayan Ghandour. In die Modewelt eingetaucht war die Libanesin zunächst mit einer T-Shirt-Kollektion, bevor sie 2004 als Mitbegründerin der Multibrand-Boutique S*uce in den Einzelhandel einstieg. Neben ihrer Tätigkeit als Kreativdirektorin und Haupteinkäuferin für S*uce entwickelte sie ihre eigene Kollektion Zayan The Label, die sie 2011 bei der Paris Fashion Week erstmals vorstellte. Mit Erfolg. Inzwischen hat sie für Zayan einen ersten eigenständigen Store eröffnet und vertreibt ihre Linie auch international. In Japan hat die Designerin die größte Fangemeinde, sie ist mit ihrer Mode daneben aber auch in Hongkong, Saudi-Arabien, Jordanien, Italien, den USA, China, Ägypten, Kasachstan und Taiwan vertreten. Ihre jüngste Kollektion, die ein weiteres Mal den verspielten Stil der Libanesin widerspiegelt, ist von Jane Birkins scheinbar mühelosen Eleganz der 1970er geprägt. Mit ihren Shift-Kleidern, asymmetrischen Volanttops, die den Blick auf eine Schulter freigeben, und den weiten, knielangen Tellerröcken zitiert Zayan Ghandour dennoch gleich mehrere Jahrzehnte. Hinzu kommt ein eklektischer Materialmix, der androgyne Streifen mit frischer weißer Lochstickerei verbindet, Perlenapplikationen werden zu transparentem PVC kombiniert. Ein mutiges Statement, das Zayan The Label unverwechselbar macht.
Shopping ist in Dubai eine Hauptbeschäftigung, jedoch unterscheiden sich die Gegebenheiten von denen in anderen Städten. Die meisten Viertel scheinen wie am Reißbrett entworfen – es gibt nur wenige wirklich organisch gewachsene Strukturen. Doch man findet sie auch in Dubai, die Hotspots mit spezieller Vergangenheit. Ein gutes Beispiel ist Alserkal Avenue, ein von großen Hallen dominiertes Gelände im Industrieviertel Al Quoz. Obwohl auf den ersten Blick wenig einladend, verbergen sich hier, hinter den meist fensterlosen Fassaden einer stillgelegten Marmorfabrik und in den kürzlich hinzugekommenen Erweiterungsbauten, einige der besten Galerien der Stadt. Und auch einer der spektakulärsten Fashionshops der Millionenmetropole versteckt sich hinter einem unscheinbaren Eingang. Um ins Allerheiligste von The Cartel zu gelangen, muss zunächst eine große Halle durchquert werden. Dann erst betritt man den Verkaufsraum des stark grafisch geprägten, streng schwarz-weiß gehaltenen Designerstores. Einzelne asymmetrisch angelegte Kabinette bieten jeder Kollektion eine eigene Nische. Eine breite Treppe führt auf die Empore der großzügigen Location. Eine Mischung aus europäischen und arabischen Linien, angereichert durch einige US-amerikanische und asiatische Brands, wartet hier auf modemutige Kundschaft. Denn auch wenn bei den Kollektionen ebenfalls Schwarz und Weiß die Vormacht haben, ist der propagierte Look sehr avantgardistisch. Man verkauft hier tragbare Kunst und fühlt sich daher in Nachbarschaft zu den Kunsthändlern auch bestens aufgehoben. Die Macher May Barber und Peter Richweisz sprechen gar von einer Symbiose aus Kunst und Mode, die sich in den gezeigten Stücken, in der Einrichtung und auch in dem Eventprogramm widerspiegelt. Modefilm-Vorführungen, Modeausstellungen und Vorträge zu diesem Thema stehen bei The Cartel regelmäßig auf der Agenda.
Luxushotels gibt es in Dubai wie Sand am Meer, dennoch sticht eine Adresse aus dem Gros heraus. Allein die Lage am Yachthafen des Dubai Creek, unmittelbar angrenzend an den Golfplatz, macht das Park Hyatt Dubai zu einer Oase. Und eine ebensolche zu finden wünscht man sich ja bei einem Wüstentrip. Aber es sind längst nicht nur die grüne Umgebung, paradiesische Ruhe und schöne Aussicht, die den Aufenthalt im Fünf-Sterne-Etablissement vergolden. Die Liste der Annehmlichkeiten ist lang, als da wären: die weitläufigen Zimmer, allesamt mit offenen Bädern, Terrassen oder Balkonen und Blick auf den Creek ausgestattet. Der schön angelegte 25-Meter-Pool, an dem es sich nach einem langen, staubigen oder dauerklimatisierten Stadttag wunderbar im Freien chillen lässt. Außerdem: das ans Haus angeschlossene Spa, von den Lesern des ‚Condé Nast Traveler‘ als eines der besten der Welt gekürt. Hinzu kommt die Tatsache, dass die Restaurants des Park Hyatt für sich allein schon einen legendären Ruf in Dubai genießen. Traiteur, das Fine-Dining-Restaurant, das unter deutscher Leitung sterneverdächtige französische Küche kredenzt, wurde bereits mehrere Jahre in Folge vom hiesigen ‚Time Out‘-Magazine zur besten Brunch-Location der Stadt gewählt. Nun muss man wissen, dass in den Emiraten dem Brunch am üblicherweise arbeitsfreien Freitag ein besonderer Stellenwert zukommt. Verglichen mit der westlichen Variante gleicht dieses Event einem kaiserlichen Gelage. Man trifft sich gegen zwölf und verbringt den Tag essend und trinkend. Was die Chefs des Traiteur dabei für ihr Publikum auffahren, würde jeden Emir in Entzücken versetzen. Liebhaber von asiatischem Essen kommen im angrenzenden The Thai Kitchen auf ihre Kosten, während das Café Arabesque einheimische Küche serviert. Dubai mag viel Spannendes zu bieten haben. Vollendet wird der Aufenthalt aber erst, wenn ausreichend Zeit mitgebracht wurde, um die Vorzüge dieser Ausnahmeunterkunft in Ruhe zu genießen.
Ein Spa wie aus 1001 Nacht. Schon die Architektur des an das Park Hyatt Dubai angeschlossenen Luxus-Entspannungs-Etablissements verbeugt sich mit seinen weißen Mauern und den blauen Kuppeln vor der maurischen Kultur. Unabhängig vom Aufenthalt im angrenzenden Hotel können sich Erholungssuchende im Amara Spa nach Strich und Faden verwöhnen lassen. Hier wird die sprichwörtliche arabische Gastfreundschaft zum Ganzkörpererlebnis. Die Reise beginnt mit einer erfrischenden Regendusche in dem zu jeder Spa-Suite gehörigen kleinen Privatgarten. Anschließend lockt ein Rosenblüten-Hand-und-Fuß-Ritual, bei dem man sich von orientalischen Düften hinforttragen lassen kann. Währenddessen wird die Musik ausgesucht, die – je nach Budget und Bedürfnis – in der oder den nachfolgenden Stunde/n zu einer Entspannungsvertiefung beiträgt. Nun beginnt die eigentliche Massage. Hier kann aus einem Menü von unterschiedlichen anregenden oder spannungslösenden Behandlungen gewählt werden. Beendet wird die Zeremonie auf den weichen Lagern im intimen Innenhof des Amara, bei Tee und Trockenfrüchten. Wer möchte, verbringt den Rest des Tages am angrenzenden Pool des Park Hyatt, der den Spa-Besuchern frei zur Verfügung steht.
Auch wenn die USA lange als das Land der unbegrenzten Möglichkeiten galt – das, was in den Vereinigten Arabischen Emiraten in den letzten Jahren an schier Unmöglichem vollbracht wurde, sollte genügen, um diese Auszeichnung in den Nahen Osten weiterzureichen. Der höchste Turm, die größte Mall, das exklusivste Hotel sind nur die augenscheinlichsten und bekanntesten Superlative, die Dubai zu bieten hat. Nicht minder beeindruckend: der einzige von Menschenhand erschaffene Tiefseehafen in Dschabal Ali und die bereits fertiggestellten sowie die geplanten künstlichen Inseln im Persischen Golf. Man scheint in Dubai der Natur, der Physik und jedem Element zu trotzen, da mutet ein Neuzugang in Sachen Freizeitvergnügen fast bescheiden an: The Oasis ist eine künstlich angelegte Seenlandschaft, circa eine Autostunde vom Zentrum entfernt. Inmitten der Wüste wurde ein wahrhaft idyllischer Ort geschaffen, an dem Stadtflüchtige den Tag und wahlweise auch die Nacht verbringen können. Schöne Lagerplätze am Wasser, die Ruhe und der fantastische nächtliche Wüstenhimmel laden die Großstadtbewohner ein, hier ihre Lager aufzuschlagen. Schöne Begleiterscheinung: Da es sich um die einzigen Wasserstellen weit und breit handelt, hat sich The Oasis innerhalb kürzester Zeit in ein Vogelparadies verwandelt.
Fotos: Nikolaus Grünwald
J’N’C Magazine
Ausgabe 03/2016