Manche Klischees sind dazu da, gelebt zu werden, andere weniger. Als wir in Newcastle landen, regnet es – was sonst. Der August zeigt sich von seiner typisch britischen Seite. Für Nigel Cabourn hingegen gilt dies nur bedingt.
Zwar empfängt uns unser Gastgeber in seinem von saftigem englischen Rasen umgebenen Gartenhaus, das er zum Atelier umfunktioniert hat. Doch welcher britische Designer kann sich schon rühmen, in Japan noch bekannter zu sein als bei sich auf der Insel? Und wer sonst, der die 60 bereits überschritten hat, hält sich mit täglichem Tischtennis fit?
Nigel Cabourn ist ein Original, und genau so lebt und arbeitet er auch. Vorne raus ein Häuschen im viktorianischen Stil, das er mit seiner Frau und den zwei Töchtern bewohnt, hinten raus der Garten, der – wie könnte es anders sein – in ein Cricketfeld übergeht. Und eben das Gartenhaus, in dem Cabourn mit einem kleinen Designteam an den Kollektionen tüftelt. Tüftelt, der Begriff ist hier ausnahmsweise einmal wörtlich zu nehmen. Denn Cabourn ist eine Galionsfigur der Heritage-Bewegung. Nicht nur dass er sich an die Rekonstruktion alter Schnitte wagt – nicht ohne diese mit viel Fingerspitzengefühl und Ideenreichtum dem Zeitgeist anzupassen. Auch von den Original-Materialien lässt Cabourn sich inspirieren – die Stoff-Fabrikanten in Newcastle und Umgebung haben gut zu tun und sind in ihrem Know-how voll und ganz gefordert. Seit über 40 Jahren ist der Designer im Geschäft, fast ebenso lange sammelt er Vintage-Bekleidung. Um die 50.000 Euro investiert er im Jahr in seine Sammlung, die die Jahre 1910 bis 1960 umfasst. Ein Schwerpunkt liegt auf Uniformen des vergangenen Jahrhunderts sowie auf Work- und Outerwear der 20er und 40er. An die 4.000 Teile lagern in seinem Archiv. Während des Gesprächs mit uns zieht Cabourn immer wieder ‚Anschauungsmaterial‘ aus den Schränken in seinem Atelier und empfiehlt uns mit ‚Ceri Vintage‘ auch gleich seinen favorisierten Secondhand-Shop in Florenz. An seiner Seite: Agnes Kemeny, etwa halb so alt wie er und seit Beginn des Jahres verantwortlich für die Women’s Collection von Nigel Cabourn, die in diesem Herbst/Winter Premiere im Handel feiert. Ein auf den ersten Blick ungleiches Paar.
Nigel, warst du immer schon ein solcher Vintage-Liebhaber?
Nigel Cabourn: Zumindest war ich immer geschichtsinteressiert, schon während meines Modestudiums in Newcastle 1967 bis 1971. Das war die Zeit von Vietnam und Flower-Power, beides hat meinen Stil damals beeinflusst. Und natürlich Popmusik – Small Faces, The Who, The Kinks, die ganzen Modbands, außerdem amerikanischer Surfsound, wie ihn beispielsweise die Turtles machten. Als ich zu studieren begann, war ich 17 Jahre alt. Ich liebte Scooter und den Union Jack, Pete Townshend war mein Stilvorbild. Wenn du dir das hier ansehen möchtest …
(Nigel Cabourn zeigt auf einige Zeichnungen an der Wand), das sind Teile, die ich während meines Studiums entworfen habe. Die Einflüsse sind deutlich erkennbar, wobei du bedenken musst: Damals wurde an den Modeschulen keine Menswear gelehrt – woher also sollte meine Inspiration kommen, wenn nicht von außen?
Ach ja? Damals wurde Menswear-Design nicht unterrichtet?
NC: Nicht in dem Sinn, wie man es heute kennt. Die Mode drehte sich ja noch nicht wirklich um Brands, sondern um die großen Couture-Häuser. Wenn jemand Mode studierte, dann mit dem Ziel, für Yves Saint Laurent etc. zu arbeiten. Mich hat das nie interessiert, ich wollte Menswear machen, für Leute wie mich selbst. Aber 98 Prozent des Lehrkörpers auf dem College war weiblich und unterrichtete Womenswear. Ich war sehr glücklich, als sich herausstellte, dass einer der männlichen Lehrer eine Menge von Tailoring verstand. Da konnte ich mich dann ein bisschen vom offiziellen Lehrplan lösen und anfangen, mein Ding zu machen. Im vierten Studienjahr lancierte ich schließlich mein eigenes Label …
… das da hieß ‚Nigel Cabourn‘?
NC: Nein, mein erstes Brand hieß Cricket. Unter meinem eigenen Namen bin ich erst seit 1983 präsent. Der Anstoß kam damals aus Japan, wo man es vorzog, statt eines Markennamens einen Designer aus Fleisch und Blut zu vermarkten. Das leuchtete mir ein.
Apropos: Durch ein Joint Venture in Japan bist du als Designer stets in zwei Welten unterwegs. Tatsächlich laufen unter deinem Namen zwei separate Kollektionen.
NC: Das ist richtig. Da ist zum einen die ‚Authentic‘-Collection, die von uns in Newcastle entworfen und die auch hier in Großbritannien gefertigt wird, zumeist unter dem Einsatz von Materialien ‚Made in England‘. Zum anderen gibt es die ‚Mainline‘-Collection für den japanischen beziehungsweise asiatischen Markt, erkennbar am grünen Label. Auch sie wird hier im Haus entwickelt. Die Produktion erfolgt allerdings in Japan, und dort sitzt auch noch mal ein kleines Designteam. Von der Ausrichtung her ist diese Kollektion ein wenig jünger, mehr fashionable – bei der ‚Authentic‘-Line dreht sich ja alles um britisches Craftsmanship. Ausgewählte Styles der japanischen ‚Mainline‘ bieten wir auch dem europäischen Handel an, neben der ‚Authentic‘-Kollektion.
Nummer drei im Nigel-Cabourn-Portfolio ist seit diesem Herbst/Winter eine Womenswear-Kollektion, die du designst, Agnes. Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Nigel?
Agnes Kemeny: Nigel und ich haben uns über einen gemeinsamen Freund auf der Mailänder Textilmesse kennengelernt. Es stellte sich heraus, dass Nigel der Name Ferenc Puskás etwas sagte und er insgesamt etwas von ungarischem Fußball verstand – als einzige Person, der ich im Ausland je begegnet bin. Das fand ich herrlich erfrischend, speziell, weil wir uns ja in der Modebranche bewegen. Was aber schließlich den Anstoß für unsere Zusammenarbeit gab: Vintage und Zeichnungen in Oldschool-Style. Ich war damals noch für eine italienische Firma tätig, und Nigel hat mir zunächst angeboten, als Freelancerin für ihn zu arbeiten.
NC: Agnes fand ich als Persönlichkeit sofort interessant. Allem voran, weil ich überrascht war, wie sehr sie sich für Vintage begeistert. Das ist ja eigentlich eher so ein Männerding – Frauen lässt das ganze Heritage- und Authentic-Thema vergleichsweise kalt, zumindest galt das lange Zeit. Als Agnes mir dann noch auf dem Laptop ein paar ihrer Zeichnungen zeigte, war klar, was ich tun würde: sie fragen, ob sie sich nicht an ein paar Entwürfen für die Womenswear-Linie versuchen wolle. Die hatte ich bereits geplant – ursprünglich übrigens erst für Winter 2014 –, mich bis dato jedoch kaum mit ihr befasst. Was das Designteam in Japan bis zu dem Zeitpunkt in dieser Hinsicht zustande gebracht hatte, blieb zu nahe an der Menswear-Vorlage und erschien mir dementsprechend vom Look her zu maskulin, und so bat ich Agnes um Folgendes: Nimm doch bitte den ‚Everest Parka‘ – ein Core-Item der ‚Authentic‘-Linie –, zerlege ihn in seine Einzelteile und remodelliere ihn anschließend so, wie du dir Nigel Cabourn Woman vorstellst. Was ich dann nach nur einer Woche zu sehen bekam, hat mich mehr als beeindruckt.
AK: Anschließend sollte ich für Nigel das ‚Mallory Jacket‘ überarbeiten. Ich hatte zunächst Scheu, dieses wunderschöne Teil, das er mir zugeschickt hatte, diesen Klassiker aus britischem Harris-Tweed, einfach so zu zerschneiden. Aber er wollte es nicht anders.
NC: Und ich lag richtig: Nach etwa anderthalb Wochen erreichte mich ein Foto, das Agnes von sich selbst im Spiegel geschossen hatte, während sie ihre Version des ‚Mallory Jackets‘ trug. Das überzeugte mich restlos. Nicht nur, weil das einstige Herrenmodell plötzlich durch und durch feminin wirkte, es hatte auch etwas sehr Eigenes, Unverwechselbares. Hinzu kam, dass Agnes selbst – und ich übertreibe nicht – das perfekte Model abgab: Die Jacke stand ihr einfach phänomenal (wovon man sich aktuell auf der Nigel-Cabourn-Website selbst überzeugen kann/d. Red.). Die Ganze ging dann so weiter, dass sie sich fünf Tage frei nahm, nach Newcastle kam und wir gemeinsam bei den hiesigen Fabrikanten vorstellig wurden. Das war im November letzten Jahres – im Januar arbeitete Agnes bereits komplett Vollzeit für mich.
Es ging also alles wesentlich schneller als geplant.
NC: Du sagst es. Bereits im Januar waren wir mit den Samples in Berlin auf der Bread & Butter, bis Februar konnten wir 20 Orders verbuchen, von Leuten, die Nigel Cabourn bereits in ihrem Menswear-Sortiment führten und die uns nun auch für die Frauenabteilung haben wollten – in meinen Augen genau die richtige Plattform für die erste Saison. Auch Karl-Heinz Müller, der ein großer Unterstützer der Nigel-Cabourn-Philosophie ist, orderte fleißig. Die ersten sechs Monate haben Agnes und ich die Kollektion alleine betreut, danach sind die Japaner mit eingestiegen.
Nigel, du sprichst von der ‚Nigel-Cabourn-Philosophie‘. Wie wichtig ist dir das Siegel ‚Made in Great Britain‘?
NC: ‚Made in Great Britain’? Das ist ein Imperativ mit Ausrufezeichen. Nicht nur weil die ‚Authentic‘-Line hier in England gefertigt wird. Eine meiner Hauptinspirationen als Designer ist die Geschichte des Britischen Königreichs, speziell die Zeit der großen Entdeckungen. Nimm nur das ‚Mallory Jacket’. Es ist benannt nach dem englischen Bergsteiger George Mallory, der 1924 bei der Besteigung des Mount Everests ums Leben kam. Bis heute ist unklar, ob er den Gipfel erreicht hat oder nicht. Ob er womöglich der Erste war, und nicht Edmund Hillary – wobei der mich bekanntlich ebenfalls inspiriert hat: Mit dem ‚Everest Parka‘ wurde Nigel Cabourn vor rund zehn Jahren überhaupt erst zu dem, was die Marke heute ist. Der Parka war das Herzstück einer Limited Edition, die ich anlässlich des 50. Jubiläums der offiziellen Erstbesteigung des Everests durch Hillary 2003 lancierte. Sie gab den Startschuss für eine Neugestaltung von Nigel Cabourn, sowohl was eine authentische Annäherung an historische Themen als auch was den handwerklichen Aspekt anbelangt. Zuvor war die Marke zwar Vintage-orientiert, aber doch kommerzieller.
Authentische Mode im Craftsmanship-Gewand ist meiner Meinung nach ein handfester Zukunftstrend. Keine Angst vor Nachahmern?
NC: Nein, das meiste, was auf den Markt kommt, sind doch billige Kopien. Du sprichst ja selbst von ‚Craftsmanship-Gewand‘. Wir hingegen bieten echtes Craftsmanship – und das ist gerade in der Womenswear eine Herausforderung. Nicht nur was die Materialien angeht. Oder, Agnes?
AK: Bei der Womenswear besteht eine wesentliche Herausforderung darin, die typischen Nigel-Cabourn-Details zu wahren. Beispielsweise die großen Taschen, wie sie übrigens auch auf Fotos der Jahre 1900 bis 1918 zu sehen sind, die Frauen in Uniform zeigen. Auf Jacken von heute wirken solche Taschen in meinen Augen sehr ungewöhnlich und frisch. Die Frage, die sich stellte, war allerdings: Welche Details kann ich behalten, und wie kann ich sie behalten, ohne ihre Proportion zu ändern? Schließlich müssen sie zum weiblichen Körper passen, der ja zarter gebaut ist als der männliche. Das Spiel mit dem Schnitt ist ein Key-Faktor bei diesen Teilen, und es gibt eine Menge dabei zu lernen. Das andere knifflige Thema ist – Nigel hat es angedeutet – das Material. Die britischen Stoffe, die die Handschrift der Marke mitbestimmen, weisen tendenziell einen eher steifen Charakter auf. Was im Gegenzug absolut nicht vorgesehen ist: Stretch. Stretch-Denim war für mich immer ein Problem. Er ist einfach so wenig robust und hält nicht lange die Form, und doch wird das Material in der Womenswear mit Vorliebe verwendet. Für die S/S-14-Kollektion haben wir ein Fit entwickelt, das auf Selvedge-Denim gut funktioniert. Kurzum: Die Kunst besteht darin, die typischen Nigel-Cabourn-Materialien so zu modifizieren und zum Einsatz zu bringen, dass sie den weiblichen Körper nicht erschlagen.
Wie gelingt euch dies? Gibt es Beispiele?
AK: Das beste Beispiel ist Harris-Tweed, ein wundervolles und sehr authentisches Material. Die Herausforderung für uns bestand darin, dieses Material leichter und weicher zu machen, damit es der weiblichen Silhouette schmeichelt, ohne einem ultrafemininen Klischee zu verfallen. Keine einfache Aufgabe für die Stoff-Fabrikanten, die in unserem Auftrag mit dem Thema befasst waren und es künftig weiter sein werden.
NC: Wir arbeiten jetzt mit einem sogenannten Featherweight-Harris-Tweed. Aber, um eines klarzustellen: Unsere Womenswear fußt zwar auf der Menswear. Doch Agnes Job beschränkt sich keineswegs darauf, maskuline Jacken durch Remodelling in feminine zu verwandeln. Sie hat beispielsweise jüngst ein Land-Army-Dress entworfen – und genau in diese Richtung könnte es mit Nigel Cabourn Woman in meinen Augen gehen. Ich vertraue voll und ganz auf Agnes und möchte mehr sehen von ihrem Talent.
Klingt, als ließe dir Nigel jede Menge kreativen Freiraum, Agnes. Welche Aussage schwebt dir für Nigel Cabourn Woman vor? Gibt es beispielsweise eine Ära, die dich besonders inspiriert?
AK: Ich interessiere mich sehr für den Ersten Weltkrieg, teile also Nigels Faible für Uniformen. Wenn ich ein Original-Kleidungsstück aus der Zeit in Händen halte, berührt mich das und stimmt mich nostalgisch. Denn dieses Kleidungsstück war widerstandsfähig genug, einen Krieg zu überdauern. Das zeugt von einer Qualität, die mir Respekt abnötigt – und der Respekt wächst noch, wenn ich versuche, das Original nachzubilden und in die Jetztzeit zu transferieren. Warum ausgerechnet der Erste Weltkrieg? Er hat das Leben der Frauen nachhaltig verändert – sie hatten keine Wahl: Sie mussten sich neu erfinden und einen neuen Lebensstil erobern. Allerdings: Die aktuelle Kollektion ist Gerda Taro gewidmet, die 1937 während des Spanischen Bürgerkriegs zu Tode kam. Als erste Frau in der Geschichte ließ sie als Kriegsfotografin ihr Leben. Sie war übrigens eine deutsche Jüdin und die Geliebte des Kriegsreporters Robert Capa. Zudem hat sie die ersten großen Aufträge für ihn an Land gezogen, war gewissermaßen auch seine Managerin.
NC: Gerda Taro war eine starke, junge, strahlende Frau voller Enthusiasmus – ein Working-Girl im Military-Dress, aber keineswegs maskulin. Nachdem Agnes und ich einige Recherchen angestellt hatten, waren wir so fasziniert von ihr, dass wir nach Paris gefahren sind. Dort lebten Taro und Capa eine Zeitlang als Liebespaar, und wir haben den aktuellen Mieter des Apartments so lange bekniet, bis er uns schließlich einließ. Aber noch mal zurück zum Ersten Weltkrieg: Ich habe bestimmt fünf bis sieben Jahre gebraucht, um all die Bücher zusammenzutragen, die mir ein tieferes Verständnis für die Beschaffenheit der Uniformen aus dieser Zeit ermöglicht haben. Kürzlich habe ich einige Abbildungen und Fotos ans Imperial War Museum geschickt – das in London und das in Manchester. Und ich hoffe darauf, dass sie uns einige rare Stücke ausleihen werden, damit wir sie genau studieren und künftig gegebenenfalls als Vorlage nutzen können.
AK: Aber nicht nur das Uniform-Thema ist spannend. Es sind die 20er und die 40er, 50er Jahre generell. Das war einfach eine Zeit der gesellschaftlichen Veränderung. Es entstanden verschiedenste Bewegungen – in der Literatur, der Kunst etc. Kulturen mischten sich. Auch dafür steht Gerda Taro, die kosmopolitische Fotografin.
Ohne Äpfel mit Birnen vergleichen zu wollen: Durchleben wir nicht aktuell wieder bewegte Zeiten? Stichwort: Wirtschaftskrise. Und führt dies nicht auch zu einem veränderten Frauenbild beziehungsweise einem neuen weiblichen (Konsum-)Verhalten?
AK: Die Frage ist komplex – und ich beantworte sie mit einem klaren Ja. Wenn du mich fragst, tut sich in der Mode aktuell eine Schere auf: zwischen Fast-Fashion, deren Anbieter sich im Preiskampf gegenseitig unterbieten, und Luxusmode zu Luxuspreisen. Doch gerade in meiner Generation und gerade bei den Frauen ist zunehmend eine Sehnsucht nach hochwertigen Manufakturprodukten auszumachen. Nachhaltigkeit und Qualitätsbewusstsein stehen für Entschleunigung, Handwerk bildet einen Gegenentwurf zu den standardisierten Trends der globalisierten Welt. Tatsache ist außerdem: Je mehr die Frau im Berufs- und Privatleben ihren Mann steht, desto geringer ist für sie die Bedeutung klassisch weiblicher Attribute – auch in optischer Hinsicht. Oder, anders ausgedrückt: Je weniger sie in ihrer Lebensführung einem weiblichen Klischee entspricht, desto mehr wächst auch der Wunsch nach einem individuellen Outfit. Ich glaube, dass Frauen von heute authentischer sein wollen, als das Gros der Marken es erlaubt.
NC: Ich denke, Agnes verkörpert auch in diesem Punkt perfekt die Nigel-Cabourn-Frau. Sie stammt aus Ungarn, hat später in der DDR gelebt, ist also jenseits der Mauer aufgewachsen. Sie weiß, was es bedeutet, jeden Morgen zur Gymnastik anzutreten, ohne zu zetern. Agnes persönliche Geschichte verleiht ihr eine ganz bestimmte weibliche Stärke.
Wie wird es mit Nigel Cabourn Woman weitergehen? Plant ihr eigene Shops?
NC: Du meinst reine Womenswear-Shops? Nein, das vorerst nicht. Wir werden die Women’s Collection zunächst weiter über ausgewählte Einzelhändler in Europa, Asien, Nordamerika und Russland anbieten, außerdem natürlich über unsere eigenen Stores in Japan. ‚The Army Gym‘, so heißen die Flagships in Tokio und Fukuoka. Neben Nigel Cabourn zeigen wir dort auch die Kollektionen unserer Freunde wie Red Wing, Filson und Viberg. Was das Thema Retail ganz allgemein betrifft, planen wir nun auch eigene Shops außerhalb von Asien – in London, am liebsten in der Nähe der Dover Street, und in New York. Auch hier möchten wir wie in Japan 80 Prozent Nigel Cabourn – Männer und Frauen – und 20 Prozent andere Marken anbieten.
Bei Nigel Cabourn hat es bereits einige Kollaborationen gegeben, beispielsweise mit Converse. Ist so etwas auch für die Frauen denkbar?
NC: Klar, warum nicht? Der Kollaborationspartner muss natürlich passen. Converse ist ein positives Beispiel, auch mit Blick auf die Erhöhung des Bekanntheitsgrades von Nigel Cabourn. Der Name Converse hat uns unter anderem dabei geholfen, ins Sortiment von Colette in Paris aufgenommen zu werden. Kollaborationen können helfen, Berührungsängste abzubauen.
Nigel, eine letzte Frage: Du investierst im Jahr 50.000 Euro in deine Vintage-Sammlung. Hast du je mit dem Gedanken gespielt, ein eigenes Museum zu eröffnen?
NC: Tatsächlich gab es schon mal eine Ausstellung der Vintage-Teile aus meiner Sammlung, die mich damals zur ‚Everest Collection‘ inspiriert haben – in meinem alten Fashion-College. Das kam gut an und wäre mit Blick auf die Zukunft sicher ausbaufähig.
Agnes, Nigel, vielen Dank für den tiefen Einblick in eure Arbeit.