Ein Burger-Restaurant in San Francisco genießt wenige Monate nach der Eröffnung bereits Kultstatus. Das Geheimnis: Gourmetqualität trifft hier auf Gastro-Robotik.
„Keiner hat an Alex geglaubt. Nur sein Freund Steve.“ Ist der Erfolg erst einmal da, dann ist ein Gründungsmythos selten weit. So auch im Fall von Creator, einem auf Robotertechnik basierenden Gourmet-Burger-Restaurant, das im September 2018 an der Folsom Street in San Francisco eröffnete.
David Bordow, Küchen-Kreativchef und für die Beschaffung der Zutaten verantwortlich, erzählt gerne die Geschichte der Freunde Steve Frehn, der als Ingenieur bei der Nasa und bei Tesla arbeitete, und Alex Vardakostas, der in eine Gastrofamilie hineingeboren wurde. „Alex hatte die Idee, den frischesten Hamburger der Welt zu produzieren. Mit Robotertechnik. Und nachhaltigen Zutaten. Das klang irgendwie absurd – fast wie die Quadratur des Kreises – und manche hielten ihn für einen Spinner. Aber Steve war Feuer und Flamme“, sagt David lachend. David ist Mitte dreißig, groß, mit fein geschnittenem Gesicht. „Neun Jahre mussten jedoch noch ins Land gehen, bis der erste Burger vom Band rollte.“
Ein leises Rattern verkündet, dass der Tüftler Steve Alex’ Traum inzwischen wahr gemacht hat. Eines der mechanisch sägenden Messer in dem auf einem hellen Holzsockel ruhenden Automaten schneidet gerade ein rundes Brioche-Brötchen auf. David tritt an die mit Plexiglas verkleidete, etwa vier Meter lange Maschine, die aus ihren Prozessen kein Geheimnis macht. „Hier oben rechts wird das Brötchen aufgeschnitten, die Hälften wandern zu den Kupferarmen in der vertikalen Röhre, wo sie an Wärmeplatten gepresst werden, bis sie leicht angetoastet sind. Nun fallen die Hälften in Pappschalen und werden auf ihrer weiteren, jetzt horizontal verlaufenden Reise mit frisch geschnittenen Zwiebeln, Tomaten, Soßen und Gewürzen garniert. Je nach Bestellung und Rezept natürlich.“ Am Ende des Fließbandes hüpft von links das gebratene Rindfleischpatty auf das Brötchen. Knapp fünf Minuten sind bis dahin vergangen.
„Das Patty ist bei uns besonders locker und zart. Auch das ist ein Verdienst der Robotik.“ In dem siloförmigen Aufbau am linken Ende der Produktionsanlage wird frisches Hackfleisch gepresst. Ein hoch spezialisierter Greifarm drückt das Fleisch vorsichtig zu einem Patty zusammen — so sachte, dass es beim Transport durch einen Menschen auseinanderfallen würde. „Durch diese Patty-Technik, die übrigens der Drei-Sterne-Koch Heston Blumenthal von The Fat Duck entwickelt hat, bleibt die ursprüngliche Anordnung der Fleischfasern erhalten. Die lose Struktur generiert eine insgesamt größere Oberfläche,die beim Braten eine würzige Kruste bekommen kann. Das Resultat: Die Burger schmeckt wesentlich intensiver“, lüftet David eines der Geschmacksgeheimnisse. Mithilfe von Wärmesensoren und einem speziell programmierten Algorithmus wird das Patty gebraten. Je nach Wunsch: englisch, medium oder durch.
Offenheit und Transparenz, sie gehören nicht nur in puncto Technik und Design zur Firmenphilosophie. Auch das Sourcing ist eine nachvollziehbare Angelegenheit. David stellt nicht nur die Qualität sicher, er entwickelt aus den Zutaten stets neue, saisonale Rezepte. Ideologisch ist er in der Slow-Food-Bewegung zu Hause. Der smarte Hüne hat bei Alice Waters gelernt, die mit ihrem Restaurant Chez Panisse in Berkeley weltweites Renommee genießt. „Salat und Gemüse beziehen wir von lokalen Farmen, das Fleisch stammt von Weiderindern und ist ökozertifiziert“, fasst Bordow den Nachhaltigkeitsaspekt bei Creator zusammen. Da alle Zutaten unmittelbar verarbeitet werden, sind Konservierungsstoffe kein Thema. Wie frisch das Gemüse ist, davon können sich die Gäste selbst überzeugen. Denn auch die großen Kühlschränke, die wie Raumtrenner zwischen Küche und Gastraum platziert wurden, sind mit Glastüren versehen.
Showing and sharing: Auch befreundete Köche dürfen mit dem Roboter, der aus 7000 Teilchen besteht und knapp eine Millionen Dollar gekostet hat, experimentieren. Arun Gupta etwa, Chef im Dosa, einer lokalen Institution für indische Küche, hat für Creator einen Masala Burger entwickelt. Eine scharf-süß-saure Variante mit eingelegten Tomaten, Bird Eye Chilis, Mango Chutney und Aioli, der mit einem gewöhnlichen Fast-Food-Burger ungefähr noch so viel gemeinsam hat wie ein Standardzimmer in einem Best-Western-Hotel mit einer Honeymoon-Suite in einem Luxus-Resort.
Ein uramerikanisches Fast-Food-Produkt mit nachhaltigen Zutaten und auf Gourmet-Niveau zubereitet für gerade mal sechs US-Dollar – mit diesem Konzept haben die Gründer einen Nerv getroffen. Zwar hat Creator, das sich im Erdgeschoss eines modernen Bürogebäudes befindet, bisher nur über die Mittagsstunden geöffnet, und das nur dreimal die Woche. Doch Social Media und Mund-zu-Mund-Propaganda sei Dank platzt es an diesen Tagen regelmäßig aus allen Nähten. 120 Burger pro Stunde, produziert mit zwei parallel arbeitenden Maschinen: Die ohnehin kurze Wartezeit vergeht für die Schaulustigen vor dem geschäftigen Roboter im Nu. Hier kommt man auch schnell ins Gespräch. Unterkühlte Atmosphäre durch Hightech? Davon keine Spur. Zumal zahlreiches hippes Personal in Denimschürzen dafür sorgt, dass jeder das bekommt, was er bestellt hat, und Davids Kollege Ian Hagn, der charmante Restaurant-Manager, von Tisch zu Tisch geht und mit den Gästen plaudert.
Dabei verrät er auch, was die Zukunft für Creator bereithält: Schon bald soll es zwei weitere Dependancen in San Francisco und eine in Los Angeles geben. In den nächsten anderthalb Jahren sei gar geplant, noch gut ein Dutzend Creator-Restaurants zu eröffnen. Die Nachrichten werden von den genüsslich kauenden Thirtysomethings erfreut aufgenommen. Technologie, davon ist man in San Francisco überzeugt, macht die Welt besser. Deshalb ist hier morgen auch immer besser als heute.
KTCHNrebel
November 2019