Meine Güte, ist die noch jung! Ein Ausruf, der ausnahmsweise nicht einem der Go-go-Girls im Rotlichtbezirk gilt, sondern ihrer Heimatstadt Bangkok. Gerade mal 225 Lenze zählt die 7,5-Millionen-Metropole Bangkok. Kein Wunder also, dass sie in der Vergangenheit mit ähnlichen Problemen zu kämpfen hatte wie ein pubertierender Teenager: mit rasantem Wachstum beispielsweise, das in den 80er und 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in der Stadt einen schon irrwitzig zu nennenden Bauboom auslöste. Aber auch mit finanziellen Schwierigkeiten aufgrund von Unvernunft und Übermut, die 1997 zum vorübergehenden wirtschaftlichen Zusammenbruch führten. Inzwischen hat man aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt. Das Verkehrschaos, das der Wachstumsschub mit sich brachte, konnte durch den Bau der Metro und des überirdischen Skytrains erheblich eingedämmt werden. Und angesichts der Hochhausskelette, die wie Mahnmale des Crashs allerorts in die Höhe ragen, sind die Spekulationslust und Risikobereitschaft etwas zurückgegangen. Tatsache ist, dass Bangkok erwachsener geworden ist. Dies verdankt die Stadt nicht zuletzt dem Einfluss einer Vielzahl von Akademikern, die nach Auslandsstudien voller Elan und reich an kosmopolitischer Erfahrung in ihre Heimat zurückkehrten. Das Image einer unaufgeräumten Dritte-Welt-Stadt hat Bangkok dementsprechend längst hinter sich gelassen. Multinationale Konzerne beurteilen den Markt als stabil und investieren in zunehmendem Maße in die lokale Wirtschaft. Was zur Folge hat, dass die herangereifte Metropole in einem Atemzug mit Hongkong und Singapur genannt wird.
Für den Neuankömmling scheint die Stadt endlos. Es gibt viele verschiedene Zentren und die Entfernungen sind beträchtlich. Die beste Orientierungshilfe bietet da der Chao Phraya River, der die Stadt einmal quer durchzieht und eine wertvolle, weil luftige und staufreie Verkehrsader darstellt. Bei einer Fahrt mit dem Wassertaxi können Sehenswürdigkeiten wie der Königspalast und einige prachtvolle Tempel wie beispielsweise der Wat Mahathat oder der Wat Arun in Augenschein genommen werden, und auch das Touristenviertel Banglamphu inklusive der legendären Travellermeile Khao San Road ist vom Fluss aus gut zu erreichen. Unweit davon: Chinatown und das quirlige indische Viertel, jene Quartiere, in denen Geschäft und Chaos sich nicht ausschließen, sondern vielmehr gegenseitig zu bedingen scheinen.
Das neue Bangkok hingegen lässt sich am besten mit dem Skytrain erschließen. Ausgehend vom Saphan Taxin Pier, wo die Wassertaxen anlegen, führt die klimatisierte und hocheffiziente Bahn ins Zentrum der Wolkenkratzer. Am Siam Square eröffnet sich ein Universum aus riesigen Shoppingzentren, die in Sachen Größe und Exklusivität noch um den Titel streiten. World Trade Center, Gaysorn Plaza und Siam Paragon rangieren unter den Top Three, doch auch sie, soviel ist sicher, werden schon bald von neuen Superlativen auf die Plätze verwiesen werden. Ein ähnlicher Kampf herrscht an der Silom Road, dem Botschaftsviertel, wo viele Farangs – so die ‚Langnasen‘ im Thai-Slang – wohnen. Nur sind es hier die Luxushotels, die sich gegenseitig den Rang ablaufen. Aufgrund der großen Konkurrenz sind die Preise verhältnismäßig erschwinglich. So kostet beispielsweise eine 130 Quadratmeter große Penthousesuite ‚nur‘ 800 US-Dollar pro Nacht.
Dabei ist der Rückzug in derartige Luxusoasen nicht die einzige Möglichkeit, der Hektik der Straße für eine Weile zu entfliehen. Unzählige Spas und Massagesalons bieten den vom tropischen Klima und der enormen Luftverschmutzung gestressten Stadtbewohnern und -besuchern schon für wenige Baht Ruhe und Entspannung.
Doch von den Annehmlichkeiten, die einem in der dienstleistungsorientierten Stadt das Leben versüßen, einmal abgesehen – die Freundlichkeit der Hauptstädter, ihre Kultur und ihre Küche sind Grund genug, sich stehenden Fußes ins junge, aufstrebende Bangkok zu verlieben. So geschehen beim Streifzug von Ilona Marx, die mit dem in Bangkok lebenden Fotografen Jonas Becker die Tigercity durchquerte, um für j’n’c die schönsten Märkte, die besten Garküchen und die heißesten Newcomer der Modeszene zusammenzustellen.
Dank an Anke Lokietz und Pascal Nufer!
Ausgewählte Texte aus dem City Guide
Massage gehört zu Thailand wie die Mass auf das Oktoberfest. Speziell in touristischen Gegenden trennen den Besucher meist nicht mehr als fünf Schritte von der nächsten Massageliege. Ein Umstand, der bisweilen seltsame Blüten treibt. Denn besonders in ländlichen Gegenden werden mehrere Dienstleistungen auch gern schon mal zusammengelegt. Ob man nun über die Schwelle eines Reisebüros, eines Internetcafés oder schlicht nur eines Supermarktes tritt: Die knetenden Hände sind meist nicht weit. Dennoch ist auch in Thailand Massage nicht gleich Massage, das wird beim Besuch des exklusiven Thann Spas deutlich. Als Produzent von exklusiven Körperpflegeprodukten hat Thann sich weltweit einen Namen gemacht, nun wurde jüngst – angrenzend an den großen eigenen Store in der vierten Etage der schicken Siam Paragon Mall – der erste Massage-Spa eröffnet. Zugegeben, die Preise für eine Behandlung hier sind um ein Zigfaches höher als in anderen Etablissements. So kostet ein 90-minütiges Signature-Treatment mit Fußwaschung, Akupressurmassage, warmer Sesamkompresse und einem köstlichen Kräutergetränk umgerechnet etwa 56 Euro. Dafür liegt man aber auch in ultrastylischen Kabinen und wird von Top-Profis in die Mangel genommen. Das Ergebnis ist frappierend: Schon nach einer kurzen, anfangs nicht ganz schmerzlosen Nackenmassage schwinden die Beschwerden, die ein langer Tag auf Bangkoks Straßen hervorrufen kann, wie durch Zauberhand. Derart gelöst und erleichtert ist man, dass man nach der Behandlung unverzüglich in den Kosmetikshop nebenan strebt, um sich mit den wohlriechenden Wundermitteln der Thann Kosmetiklinie einzudecken.
Die ‚Top Three’ der thailändischen Tropenfrüchte? Keine Frage: Ananas, Banane, Mango. Letztere gilt als eine Art Nationalspeise, und wer hier einmal in den Genuss einer der süß-süffigen Früchte gekommen ist, greift nur noch widerwillig zu den fasrig-unreifen Namensvettern, die in unseren Supermarktregalen angeboten werden. Besonders köstlich ist die exotische Kernfrucht zur thailändischen Haupterntezeit, zwischen März und Mai. Und dann brummt auch das Geschäft bei Mango Tango – einer aus fünf Filialen bestehenden Minifoodkette. Vier Lokale in Bangkok und eine Dependance in Tokio werden nach dem schlichten, aber genialen Konzept geführt, ausschließlich Nachspeisen und Getränke auf Mangobasis anzubieten. Ob Mango-Pudding, Mango-Aloha, Mango-Sticky-Rice, Mango-Thai-Sundae oder Mango-Eiskrem, alles, was hier auf der Karte steht, ist süß und köstlich. Die Stringenz des Menüs spiegelt sich auch in der Inneneinrichtung. Als Lampenschirme wurden kleine Körbchen zweckentfremdete, die sonst zur Mangoernte benutzt werden, und an der weißgetünchten Backsteinwand hat der Künstler Pongsakorn die Lebensgeschichte einer Mango mit leichter Hand in Szene gesetzt. Eine Idee der erfinderischen Innenarchitektin Miss Mallikomas, die ihrer Fortführung harrt: In regelmäßigen Abständen soll die Wand neu geweißelt werden und so wechselnden Illustratoren Raum für ihre Interpretation eines Mangodaseins geben.
Wie auch in anderen Tigercities gelten die Hotels in Bangkok als Sehenswürdigkeiten. Stolz weisen die Führer auf den Touristenbooten, die den Chao Phraya River heraufschippern, auf die riesigen exklusiven Hotelpaläste hin, welche die Ufer säumen. Doch nicht nur hier reihen sich die Luxusherbergen wie Perlen an der Schnur. Im ganzen Stadtgebiet sind die markantesten Gebäude von Hotels belegt – riesige Türme, oft mit einer utopisch anmutenden Zahl an Stockwerken, Zimmern und Betten. Mitunter fragt man sich, wer hier wohl alles wohnen mag. Schwer vorstellbar, dass diese ‚Schlafstädte’ jemals ausgebucht sein könnten. Doch auch wenn viele dieser Burgen sehr exklusiv sind, als schön zu bezeichnen, sind längst nicht alle. Geld und guter Geschmack gehen ja bekanntlich nicht immer Hand in Hand. Eine wohltuende Ausnahme macht hier das Metropolitan an der South Sathorn Road. Das Haus, im Besitz einer überaus tüchtigen Geschäftsfrau aus Singapur, ist eine jener Oasen, die die Hektik der Stadt vergessen lassen. Großzügige, gut gestaltete und lichtdurchflutete Zimmer, zwei michelinsternverdächtige Restaurants, ein exklusiver, hauseigener Spa samt Pool im Edward-Hopper-Style und eine schicke Bar machen das Leben im Metropolitan überaus angenehm. Steigern lässt sich der Luxus noch, wenn man nach Art der Popstars und Politiker in eine der vier Penthousesuiten eincheckt. Die acht Meter hohe Fensterfront, die sich über die gesamte Höhe und Breite der zweigeschossigen Apartments erstreckt, erlaubt beeindruckende Ausblicke auf die Skyline. Noch ein kleines bisschen mehr Platz bietet die Präsidentensuite mit zwei Schlafzimmern, zwei Bädern und einer offenen Küche. Sie ist über einen eignen Lift zu erreichen und garantiert somit ein absolutes Maximum an Privatsphäre.
Das Essen hat im thailändischen Alltag seinen ganz eigenen Platz. So selbstverständlich wie in kaum einem anderen Land findet die Nahrungsaufnahme hier im öffentlichen Raum, sprich: auf der Straße, statt. Der Thai isst zu jeder Tages- und Nachtzeit, und möchte darum auch gerne, wo er geht und steht, die Möglichkeit dazu haben. Folglich sind – mal abgesehen von den großen, highwayartigen Verkehrsadern – die Straßen der thailändischen Hauptstadt von Verkaufsständen und Garküchen gesäumt. Das wirkt, angesichts der staubigen Hitze und der verpesteten Lust, nicht unbedingt hygienisch. Tatsache ist jedoch, dass das Essen hier nicht nur stets bekömmlich, sondern durchweg auch sehr lecker ist! Nun scheint es bei dieser Angebotsfülle natürlich schier unmöglich, eine Empfehlung auszusprechen, außerdem sind die meisten der Küchen ja mobil und daher schwer zu lokalisieren. Dennoch hat sich mit der Soi 38 eine Straße am Fuße der Skytrainstation ‚Thonglor’ etabliert, die im Ruf steht, die besten Ess-Stände der Stadt zu beherbergen. Alle klassischen Köstlichkeiten der thailändischen Küche können hier bestellt werden, jede der Garküchen hat sich auf ein Gericht spezialisiert. Infolgedessen sind die jeweiligen Zutaten besonders frisch und es gibt kein Gerangel um die Kundschaft. Unbedingt probieren sollte man hier einen Papayasalat und ein Phad Thai, dabei aber tunlichst darauf achten, noch etwas Platz im Magen zu lassen. Denn zum krönenden Abschluss muss noch der Klebreis mit Mango bestellt werden – eine süße Köstlichkeit mit Kokosmilch, die hier als die beste der Stadt gilt. Ein weiteres Plus der Soi 38: Die Stände hier sind von acht Uhr morgens bis drei Uhr nachts geöffnet und somit also auch eine beliebte Zwischenstation für Partyhopper.
Das übernachten in Backpackern ist nicht jedermanns Sache. Zwar teilt man brüderlich Bad und Küche mit Wildfremden, nicht aber unbedingt auch die Ansichten über hygienische Standards. Dennoch gibt es in jedem Travellerland einige Etablissements, denen sich selbst diejenigen nicht guten Gewissens verweigern können, die diese Art des Logierens eigentlich längst aus ihrem Reiserepertoire gestrichen hatten. Ein solcher Ort ist die Gallery 11, ein Dreigestirn aus Backpackerhotel, Restaurant und Spa, dessen anheimelnde Atmosphäre in krassem Kontrast zur unmittelbaren Umgebung, dem Rotlichtbezirk Nana steht. Der Charme des Backpackers geht zuallererst von seiner saloonartigen, teakvertäfelten Halle aus, wo unter den riesigen Holzventilatoren die gemeinsamen Mahlzeiten eingenommen werden können. Von diesem schönen Gemeinschaftsraum aus führt eine Treppe auf die Galerie in der ersten Etage, wo sich die Schlafräume befinden. Das angrenzende Restaurant, in dem leckere und günstige Thaiküche serviert wird, ist im Gegensatz dazu total verwinkelt und bietet unzählige kleine Nischen und Refugien, in denen ein im Schlafsaal eventuell aufgetretener Mangel an Intimsphäre im Rahmen eines gemütlichen Dinners zu Zweit wieder wettgemacht werden kann. Ganz vertraulich wird es dann im gegenüber liegenden Spa, einer erst jüngst hinzugekommenen Wellness-Einrichtung, die Gallery 11 endgültig in den Olymp der thailändischen Backpacker Top Ten erhebt.
Fusion rules in Bangkok. In der Tigerstadt trifft ‚East’ quasi an jeder Ecke auf ‚West’. Die Auswirkungen dieser Hochzeit der Kulturen erfassen alle Bereiche des sogenannten ‚Lifestyles’. Ob Mode, Musik, Architektur oder Küche – überall vermischen sich die konträren Einflüsse und nicht selten entwickeln sich daraus überraschend neue Amalgame. Diesem fruchtbaren Prinzip gehorcht auch das Konzept des Q Stores, der sich im Basement der Central World Plaza befindet. Hier mixt man in den Lifestyle-Disziplinen ‚Interior Design’ und ‚Fashion Design’ munter drauflos – mit erstaunlichem Ergebnis: Einrichtung, Beleuchtung, Tischdekorationen, Accessoires für Küche und Bad sowie Papierwaren und Dekorationsartikel aus Ost und West ergänzen sich perfekt, darüber hinaus wird auch Kleidung und Schuhwerk thailändischer und internationaler Designer angeboten. Eine Filiale des Stores befindet sich übrigens im Siam Paragon und gilt auch hier als Magnet für in- und ausländische Indie-Shopper, die sich nicht mit konformistischer Kettenware zufriedengeben.
Ähnlich wie in Huxleys schöner neuer Welt befindet sich auch in Bangkok eines der besten Restaurants ‚am Ende des Universums’. öffentlicher Nahverkehr existiert in dieser Ecke der Stadt nicht, dennoch wird die Anreise belohnt: Das Vanilla Garden ist ein Designertraum. Hier, einige Taximinuten von der exklusiven Thonglor entfernt, verbindet sich japanisch anmutende 70er-Jahre-Architektur mit skandinavischem Interior Design aus den 60s. Angesichts der Vielzahl und Mannigfaltigkeit der Tische, Regale und Sitzmöglichkeiten wähnt man sich fast in der Ess- und Wohnzimmerabteilung eines dänischen Möbelhauses aus eben jener Zeit, wären da nicht die japanischen Comics, Filme und Mangapüppchen, die sich auf den Boards tummeln. Fast vergisst man angesichts des aufregenden Settings seinen Hunger, aber das wäre fatal. Denn die Vorzüge der euroasiatischen Mixtur beschränken sich nicht allein auf das äußere. Auch die Küche ist vorzüglich. Im Vanilla Café, das im mittleren Teil des Gebäudekomplexes untergebracht ist, wird japanisch-italienisches Essen gereicht – eine recht unorthodoxe Fusion, die aber sehr gut ankommt. Das Royal Vanilla hingegen, das sich im Seitenflügel des Baus befindet, hat sich auf chinesische Dim Sums spezialisiert. Um das besondere Flair des Lokals perfekt zu machen, wurde im gegenüberliegenden Seitentrakt eine Buchhandlung angeschlossen. Der Shop heißt ‚Source’ und ist eine großartige Inspirationsquelle. Eine Vielzahl schöner Bände über Design, Architektur, Mode, Illustration und Kunst werden hier von einer exklusiven Auswahl an Kochbüchern flankiert.
J’N’C Magazine
Ausgabe 03/2008